Nagasaki

Dies ist die Fortsetzung des Beitrags Bis zum ‚Ende der Welt‘.

Im Dunkeln im Hotel angekommen knurrt mein Magen. Ich möchte nicht lange suchen, es soll aber Sushi sein. Zum erstenmal zücke ich meinen digitalen Stadtplan und gebe den Essenswunsch ein. Ha, gleich um die Ecke ist ein Lokal. OK, das nehme ich. Draußen ist es dunkler als im vertrauten Kōbe und es sind weniger Menschen unterwegs. Mein Lokal ist ein altes mit einer Schiebetür aus Holz. Die anstehenden Informationen sind alle nur in japanisch. Einzig ein Bild zeigt ein Menü mit Nigiri. Also die Schiebetür auf, ich rein, Schiebetür zu.

Zu meiner Linken diese flachen Tische um auf dem Boden zu sitzen. Rechts die Theke mit Stühlen. Irgendwo ein Empfangsgerät mit kreischenden Menschenstimmen. Ich sehe niemanden. Noch zu früh? Nach zwei Schritten zu der Theke sehe ich einen Kopf und ganz links neben der Tür läuft in grellen Farben der Fernseher. Ein Kopf kommt hoch. Eine alte Frau blickt ganz überrascht auf. Sie hat mich nicht gehört. Ich verneige mich kurz, zeige auf den Stuhl während sie mich in japanisch anspricht. Ich nicke, was sonst. Sie bringt mir eine Karte die ich zu gerne fotografiert hätte – und dazu mein Gesicht! Ein langer Streifen Pappe, quer gehalten, voller Schriftzeichen. Zur mündlichen Erklärung folgen meine Augen ihrer Handbewegung von oben rechts nach unten beginnend, Spalte für Spalte nach links zeigend. Das müssen die Fischsorten sein. Sie stoppt und zieht ihren Joker, ein Foto von einem anderen Menü. Nicht exakt das, was ich draußen gesehen habe, doch ich nicke heftig. Das wäre geschafft.

Während sie hinter einem halb geöffneten Vorhang in eine Art Küche verschwindet, kommt ein Mann aus einer anderen Tür und zieht sich seinen Arbeitskittel an. Er schaut mich länger aber ohne eine Regung an. Ich nicke ein ganz wenig. Die beiden reden ganz kurz und er fängt hinter der Kühlvitrine mit irgendetwas an. Die Küche sieht altertümlich und könnte den gängigen Hygienestandards nicht in allem genügen. Ich wills heute wissen.

Die Frau bringt mir ein warmes Tuch. Unsicher, ob es auch für mein Gesicht gedacht ist, putze ich mir meine Hände. Hab schon wieder alles vergessen, was so alles in den Reiseführern steht. Der Mann reicht mir eine Schale mit Salat rüber. Ich nicke stumm. Alle Worte sind vergessen. Sprachen sind echt nicht meine Stärke. Zu meinem Tablett mit den Stäbchen bekomme ich Tee und etwas Ingwer. Während die Frau der Quizshow weiter zuschaut, kümmre ich mich um meinen Salat. Zwischendurch blick ich auch auf den Fernseher. Es geht darum die Strichfolge komplizierter Schriftzeichen zu wissen oder zu erraten. Die japanische Version von „Wer weiß denn das?“.

Mein Hauptgericht ist üppig und bis auf den Oktopusarm was ich mir vorgestellt habe.
Die Frau schaut mir beim Essen zu, der Mann der Show. Beim Oktopusarm hätte ich fast aufgegeben, denn der war sehr, sehr fest. Alle anderen Nigiris sind ok. Zum Glück kommt ein weiterer Gast, der nun die Aufmerksamkeit der beiden erfordert.

Nachdem ich meine Suppe ausgeschlürft und der Quizshow eine Runde beigewohnt habe, nicke ich der Frau zu und hebe diskret meine Börse. Sie kommt mit einem großen Taschenrechner und zeigt mit ‚2500‘. Das war mir das Abenteuer und die Sättigung wert!

Im Hotelzimmer ziehe ich mir meinen Schlafkimono an und schlafe bald ein.

Das Zimmer hat auch einen kleinen Wasserkocher und eine Teeschale.
Links die obligatorische Taschenlampe. In diesem Hotel gibt es auch USB-Ladeanschlüsse. WLAN sowieso.

Heute schlafe ich lange und erst um 10 verlasse ich ohne Frühstück das Hotel. Ich möchte zu dem berühmten Aussichtspunkt hoch über der Stadt. Da gibts bestimmt ein Restaurant. Es ist ein längerer Fußweg am Fluss entlang. Die Sonne scheint und ich genieße den Gang auf der Promenade. Jogger und ältere Spaziergänger begegnen mir. Nach einem kleine Umweg -sich verlaufen ist das Geheimnis für Entdeckungen- stehe ich vor einer alten Treppe. Eine Gedenktafel berichtet, dass am Ende der Stufen ein Schrein stand. Von ihm ist nach der Bombenexplosion genau so wenig übrig geblieben, wie von dem edelen Wald ringsrum, aus dessem Holz Schreine gebaut wurden. Die Bäume waren direkt oberhalb der Wurzeln umgeknickt. Diese Stufen führen mich zu einem neu aufgebauten Schrein. Er ist das Titelbild dieses Beitrags.

(Oben an der Treppe angekommen, ein Blick zurück)

Direkt daneben ist die Basisstation einer Seilbahn. Mit einigen Schuljunge fahre ich rauf. Eine Angestellte des Seilbahnunternehmens macht uns beim Einsteigen auf die niedrige Einstiegshöhe aufmerksam. Während der Fahrt erläutert sie die Bauweise der Bahn und die Sehenswürdigkeiten am Boden. Woher ich das weiß? Am Anschluss ihrer Ansage lässt sie ein Band in englischer Sprache laufen. Ein kleiner Fußweg bringt uns zum Observatorium.

Wir sind nun über 330 Meter hoch. Der Blick über die Region ist überwältigend. Nach drei Seiten Inseln und Meer. Für den Tokyo-Beitrag hatte ich den Titel „Diese Stadt ist zu groß für deinen Bildschirm“ geplant, doch das hier ist noch mehr.

2012 wurde dieser „Night View“ zusammen mit Hongkong und Macao zu den schönsten und romantischsten Aussichten der Welt gewählt. Das kann ich mir gut vorstellen.

Zum Vergrößern einfach auf das Bild klicken.
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Eigentlich wollte ich hier ja frühstücken, doch außerhalb der Saison gibt es hier nur Automaten. Die Aussicht scheint so beliebt zu sein, dass gerade ein Schrägaufzug an einer anderen Hangseite installiert wurde.

Wieder unten angekommen kaufe ich mir in dem nächsten Kombini zwei Sandwichs. Gestärkt folge ich dem Fluss, biege auf eine Hautstraße die mich zum Friedenspark bringt. Nachdem ich den Park auf mich habe wirken lassen und du den Beitrag „Frieden“ gelesen hast, laufe ich zur nächsten Straßenbahnaltstelle. Schon kommt die nächste Bahn und alle rein.

Gerade will ich mich auf einen der wenigen freien Plätze setzen, sehe ich hinter mir eine ältere Frau mit Hut. Ich biete ihr meine Platz an. Sie schaut unter ihrem Hut hoch und bedankt sich auf englisch. Wir kommen ins Gespräch, sie stammt aus Finnland, ihr Mann aus Japan und beide lebe in Tokyo, sind in Nagasaki als Touristen unterwegs. Er erzählt, dass er die Deutschen so sehr mag und Düsseldorf ihm gut gefällt. Was soll ich sagen…

Ich muss nun aussteigen und suche ein Geschäft um etwas für mein Abendbrot auf dem Zimmer einzukaufen. Da wo ein Starbucks ist, da ist auch ein Supermarkt.

Oh, es Weihnachtet auch hier.

1480 Yen sind über 12€
Tyisch Japan, Obst und Gemüse wird nur in der gleichen Größe angeboten.

Beim Kassieren nehme ich eine Plastiktüte, kostet hier 2,5 Cent. Das Thema ‚Nachhaltigkeit‘ kommt noch mal gesondert.

Den Abend verbringe ich ruhig im Zimmer, bin ziemlich müde.

Am Morgen frühstücke ich im Hotel, habe die japanische Variante gewählt.

Das Ei ist roh und wird eigentlich in den Reis gerührt. Ich verquirle es lieber in der warmen Suppe, trau mich nicht komplett roh.

Nach dem Frühstück trete ich meine Rückreise nach Kōbe an. Zuerst fast zwei Stunden Expresszug und anschließend Shinkansen.

Die Gleise die der Zug nutzt scheinen sehr abgefahren zu sein, im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist eine schmalere Spur als üblich und die Neigetechnik scheint nicht richtig zu funktionieren. So ein Geschaukel habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Keine gute Idee für Menschen mit empfindlichem Magen. Deshalb kann ich auch gar nicht mehr so viel schreiben.

Ich bin jedenfalls gut wieder in Kōbe angekommen. Ach ja, und das war der Blick aus meinem Hotelzimmer:

Eine Kirche

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6 Kommentare

  1. Hallo Martin, heute ist ja der Tag der alten weißen Männer in Europa. Du bist das glatte Gegenteil: Ich verfolge mit Genuss deine Reise. Die blogadresse war im digitalen Nirwana verschwunden, Michael gab sie mir, so dass ich alles in einem Rutsch gelesen und betrachtet habe. Du erzählst sehr anschaulich und gibst so den Fotos einen Erlebniszusammenhang, der das Dargestellte mit dir verbindet. Ich mag das, fühle mich so irgendwie mit dir verbunden. und: Alles Gute zum Nikolaus, dessen Lebensweisheit du auch schon zitiert hast: Durch Umwege kennt man die Gegend kennen. Habe weiterhin eine gute Reise. Fotofreund Helmut

    • Danke Helmut,

      der Bericht von Tokyo (bei Siegbert) steht noch aus. Das waren soo viele Eindrücke. Und Bilder? Wer hat so eine Kamera? Und doch gibt es diese japanischen Fotografen …

      Ich berichte.

      Martin

  2. Kölsche Mädche

    Düsseldorf ? 🙄😮😱😱😱😉

    • Köln hat nicht so eine japanische Community.
      Ich habe den Mann in der Straßenbahn auch nicht gefragt, in welcher Stadt denn diese ‚netten, Menschen geboren sind.

      Alaaf 🥳

  3. Hallo Martin,
    es ist wunderbares du alles siehst, aufnimmst, hörst – und isst! Oktopusarm, echt? Danke fürs mitteilen- den nächtlichen Blick über Nagasaki würde ich gerne selber erleben..
    Kleiner Gruß zum Nikolaus aus Herne

  4. Toll 😊,mein Freund ,es liest sich Wunderbar,so sind wir alle dabei , und schmunzeln,mit ,die Sprache …. und die Speisekarte ich wäre dort sprachlos 😮 …….. selbst Ferrero ,www….