Tokyo

oder

Dein Bildschirm ist zu klein für diese Stadt!



Wenn ich Besuch in Berlin habe und etwas von der Stadt zeigen soll, dann frage ich immer, welcher Quadratkilometer von den 890 km² denn interessiert.
Mit diesem Hintergrund bin ich ohne Plan nach Tokyo gefahren. Ich möchte meinen Freund Siegbert treffen, alles andere kann sich ergeben.

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Tag 1

Tokyo erreiche ich mit dem Shinkansen am frühen Nachmittag ganz im Süden der Stadt. Die Umsteigezeit ist etwas knapp, doch Dank der guten Beschriftung schaffe ich meinen Anschlusszug noch gerade so. Nach zwei Stationen heißt es schon wieder aussteigen. Zum Glück habe ich mir vorher den Nahverkehrsplan von Tokyo nicht angeschaut. Siegbert erwartet mich am East Exit.

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Hier die Darstellung in groß .

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Siegbert finde ich draußen nahe einer Veranstaltungsbühne. Auf ihr trällert eine junge Japanerin. Nach der ruhigen Fahrt im Shinkansen ist der Lärm nicht auszuhalten.




Tokyo in Zahlen


Auf 70% der Berliner Fläche leben über 2,5mal soviele Menschen (9,6Mio)

oder

Ungefähr die doppelte Bevölkerung des Ruhrgebietes lebt in Tokyo.

In der Tokyoer Metropolregion leben 37,5Mio Menschen, 30% der Gesamtbevölkerung.

Vor den dröhnen Boxen flüchtend, überqueren wir eine Kreuzung und verschwinden in einer sehr kleinen Seitenstraße. Sie verwandelt sich in einen ansteigenden Fußweg, von Zierkirschen gesäumt. Trotz des Novembers blüht oder wächst hier immer noch was.

500 Meter vom Bahnhof, den Siegbert ‚Kotti‘ nennt, entfernt, ist eine entspannte Ruhe. Nichts erinnert daran, dass wir uns in einer riesigen Stadt befinden. Die vielen kleinen Häuschen schmiegen sich in das hügelige Gelände ein.
Gegen Hannas kleines Appartement wohnt Siegbert sehr, sehr großzügig. Nach einer kleinen Verschnaufpause brechen wir auf, um uns Tokyo von oben anzuschauen. Auf dem Weg zur Bahnstation halten wir bei einem Schuhmacher an. Ein paar Schuhe brauchen neue Absätze.

Ich folge Siegbert einfach in den Bahnhof und wir fahren einige Stationen näher in die Innenstadt. Draußen regnet es und oben im 38. oder 39. Stock haben wir zwar Höhe aber keine Aussicht. Was macht man da? Man schaut sich Tokyo in einer Fotoausstellung an! Gerade heute eröffnet eine von Masataka Nakano. Er hat die Entwicklung der Stadt dokumentiert und das Besondere an seinen Bildern ist die Leere, Straßen ohne Menschen und Autos.

©Masataka Nakano
Dieses Bild hat mich zuerst an Berlin erinnert, der ehemalige Mauerstreifen am Kanal gegenüber der Heidestraße.
©Masataka Nakano
Oder Blicke aus Fernstern.
©Masataka Nakano
©Masataka Nakano
©Masataka Nakano
Diese im Bau befindliche Bahn sollten wir ein anderes mal in real sehen und nutzen.
©Masataka Nakano

Draußen ist es ungemütlich und nass. Wir fahren nach Hause. Obwohl Siegberts Haus für Tokyoer Verhältnisse sehr groß ist, über eine Heizung verfügt es nicht. Eines der nicht klärbaren Phänomene in Japan.
Die Bäder sind überall mit Dusche und Badewanne, oft der Größe des gesamten Wohnraums überproportional und die Toilettensitze mindestens ständig beheizt. Doch für die Zimmer braucht man eine warme Jacke ab Spätherbst.
So sitzen wir nach dem Abendessen mit einem laufenden Heizlüfter im Wohnraum und plaudern über Japan und das Leben hier. Welche Lebensmittel vermisst man in Japan besonders? Siegbert hat in Tokyo schon viele kleine Spezialgeschäfte gefunden.

Tag 2

Am nächsten Tag kommt Hanna auch nach Tokyo und gemeinsam wollen wir Brot kaufen. Nicht irgendein Brot. Nein, da ist ein Japaner, der in Norwegen Brot backen gelernt hat. Wir fahren vom Süden in den Norden der Stadt. Für die Strecke und den anschließenden Fußweg brauchen wir schon etwas Zeit. Tokyo ist groß.

Siegbert macht unterwegs einige Schlenker durch kleine Sträßchen, vorbei an außergewöhnlichen Geschäften, wie dem Gebäckladen, der alles im Katzenmuster backt.

An mehreren Stellen haben sich Menschen aus Europa, meist mit Lebensmittel, ein kleines Geschäft aufgebaut.

Und dann ist da der Friedhof, auf dem einige Gedenksteine auch an Europäer erinnern, die hier Schulen errichtet oder Forschung betrieben haben.

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Dann endlich, ganz versteckt, ein altes Viertel, dort ist auch unsere Bäckerei.

Der Laden führt nicht nur Brote sondern auch Süßes.

Ein Schoko-Croissant gibts für €2,50. Handgemacht und frisch.
Mit zwei Broten, etwas Süßem und €20 weniger im Portmonee …

Es gibt immer wieder Dinge, da überrascht mich die Perfektion der Japaner. Wie der Pizzawagen mit Holzofen. Nicht als Anhänger, nein, eingebaut in den Transporter!

Ob in Deutschland so ein Fahrzeug zugelassen würde?

Die Brauerei lassen wir aus, es ist noch zu früh.

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Ich vergaß ganz, heute ist ja Sonntag. Die Geschäfte haben natürlich geöffnet. In Japan sind sie meisten sieben Tage die Woche auf. Die Haupteinkaufsstraße in Tokyo ist für den Autoverkehr extra gesperrt.

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Müde kehren wir nach Hause zurück. Sehr viele Eindrücke arbeiten noch in mir und mit einem rustikalen Essen im Bauch falle ich rasch in den Schlaf.

Bei all der Begeisterung für das Brot hätten wir fast das Foto vergessen.

Tag 3

Heute fahren wir zum Hafen. Dort ist ein in den letzten Jahren ein ganz neues Viertel entstanden. In der Fotoausstellung konnten wir das Gelände vor der Bebauung sehen. Für den Überblick nutzen wir eine fahrerlose Bahn. Wie in Kobe fährt diese Bahn nicht auf Schienen sondern mit Busreifen. Aus Platzgründen steht die Fahrbahn auf Pfeilern. Ist ja logisch in einer erdbebenreichen Region. Ich hab mich oft gefragt, wie das alles so funktioniert. Gerade unter diesem Aspekt bin ich von den Gebäuden immer wieder fasziniert.

Für die, die mal eine kleine Fahrt am heimischen Monitor mitmachen wollen: hier klicken
Ist aber nur was für schnelle Internetzugänge.

Leider war es sehr bewölkt bis diesig und die Sicht war nicht so berauschend.
In dieser Brücke sind wir gefahren. Oben drüber fahren Autos, in der Ebene darunter mittig unser Liner, rechts und links davon ebenfalls Autos.
Wer die Fahrt mit machen möchte: hier
Ist aber nur was für sehr schnelle Internetzugänge (120MB)!
Und dann, zwischen all den unscheinbaren Fassaden, taucht etwas Originelles auf.
Die Endstation führt uns wieder in den normalen Trubel der Stadt.

Wir werden nun noch einen Hotspot besuchen: Shibuya, die Kreuzung mit den meisten Menschen pro Tag. An dieser Kreuzung steht auch die Figur von Hachikō . Ein Muss für jeden Tokyobesucher.

Schon ist die zeit um und wir machen uns auf den Rückweg. Hanna und ich nach Kōbe und Siegbert zu seiner Urlaubsvorbereitung.

Es waren drei tolle Tage mit so vielen Eindrücken, ich kann sie gar nicht so richtig aufschreiben.

Danke auch noch mal an Siegbert und Ursula für die gemeinsame Zeit.

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2 Kommentare

  1. Hallo Martin,

    mit Freude und Genuss nehme ich gerne wieder deine Reiseschilderungen auf, da ich zwischendurch selbst auf Reisen war (Skiurlaub im Stubai-Tal/Österreich und die harten Abfahrten :-))
    Ich genieße somit erneut deine anschaulichen Schilderungen und den Stil deiner Beschreibungen, der mich intensiv in die Lage versetzt, deine Erlebnisse nachzuerleben. Die Bilder erzielen, wie bei dir gewohnt, treffsicher die Wirkung und ergänzen gekonnt deine Berichte. Besonders wärmt mich, dass du mit Siegbert zusammen bist und mich damit unvermittelt an unsere gemeinsame Fotozeiten erinnert. Grüße ihn herzlich und genießt Euer Eldorado. Ich bin auf weitere Bilder und Schilderungen gespannt.

    Bleib gesund und genieße die Zeit
    Dein Fotokumpel Micha
    aus dem nun scheinbar beschaulichen Berlin
    😉

    • Hallo Michael,
      mein Bericht über Tokyo habe ich nun abgeschlossen. Beschreiben kann ich diese Stadt nicht. Ich kann sie nicht einmal erfassen.
      Fotografieren ist auch nicht so einfach, es gibt so wenige Sichtachsen. Und überall stehen Menschen im Weg. Versuch da mal ein Stativ aufzustellen! *lach*

      Beste Grüße
      Martin